Neue Bearbeitungsmethode revolutioniert das Drehen
Jetzt haben die Spezialisten von Ceratizit eine neue Bearbeitungsmethode entwickelt, welche das Drehen revolutionieren soll. Mit High Dynamic Turning (HDT) und den dazugehörigen FreeTurn-Werkzeugen lässt sich der Schneidkopf frei bewegen und so der Anstellwinkel der Schneide zu jedem Zeitpunkt der Bearbeitung frei wählen. Die FreeTurn-Werkzeuge verfügen über eine neuartige Wendeschneidplatte, welche aus mehreren verschiedenen Schneiden bestehen kann. Das ermöglicht sowohl eine ziehende als auch eine schiebende Bearbeitung der Werkstücke. Der Span kann zusätzlich optimal gebrochen und aus der Schnittzone gelenkt werden.
Dank HDT sind alle bekannten Drehoperationen wie Schruppen, Schlichten, Konturdrehen, Plan- und Längsdrehen mit nur einem Werkzeug möglich. Jede Kontur eines Drehbauteils kann also erzeugt werden, ohne dass das Werkzeug abgesetzt werden muss. Somit können Bauteile zukünftig mit einem einzigen FreeTurn-Werkzeug fertig bearbeitet werden, wo früher eine Vielzahl an unterschiedlichen Werkzeugen notwendig war. Werkzeugwechsel und auch Leerwege von Werkzeugen werden stark reduziert, was zu höherer Produktivität führt. Zudem werden die Werkzeugkosten drastisch reduziert.
„Die Werte, die durch Messtechnik von Kistler ermittelt werden, sind plausibel. Die Industrie vertraut ihnen. Somit sind wir in der Lage, verlässliche Werte an Maschinen- und Spindelhersteller zu liefern, denen diese vertrauen.“
Dr. Uwe Schleinkofer, Head of R&D Cutting Tools
Innovatives Konzept reduziert Kraftaufwand
Ein weiterer Vorteil von HDT ist die neue Werkzeuganstellung, welche die Schnittkraft senkrecht durch das Werkzeug direkt in die Spindel lenkt. So wird die Maschine weniger belastet und es kann mit höheren Prozessparametern gearbeitet werden. Durch den frei wählbaren Anstellwinkel verlängert sich die Lebensdauer der Schneide zusätzlich.
Die ersten Tests verliefen erfolgreich, sodass das System aktuell für den Serieneinsatz freigegeben wird. Dazu sind die Entwickler von Ceratizit auf detaillierte und zuverlässige Werte über die aufkommenden Kräfte angewiesen. Diese Daten sind erforderlich, um das Verständnis der Werkzeugeigenschaften im Zerspanungsprozess zu verbessern. Vor allem Maschinen- und Steuerungshersteller sowie CAM-Softwareanbieter benötigen diese Informationen, um ihre Entwicklungen zielgerichtet voran treiben zu können.
Umfangreiche Testreihe mit Unterstützung von Kistler
Bereits seit über 30 Jahren vertraut Ceratizit auf Lösungen von Kistler. Auch bei diesem Projekt leisteten Produkte des Schweizer Messtechnikspezialisten einen wichtigen Beitrag. Zur Messung der Zerspankräfte kam das rotierende 4-Komponenten Zerspankraft-Dynamometer (RCD) Typ 9171A zum Einsatz. Das modular aufgebaute Messgerät ist kompatibel mit sämtlichen gängigen Maschinenspindeln. Es misst die auf die Schneide wirkenden Kräfte in allen drei Achsen und berechnet basierend darauf auch das Drehmoment. Dank piezoelektrischer Sensorik verfügt das RCD über eine sehr hohe Abtastrate und Sensitivität über einen extrem breiten Kraftbereich. Das garantiert aussagekräftige und präzise Messdaten. Die Messwert- und Energieübertragung erfolgt berührungslos und ist daher verschleißfrei.
Die Messkette wurde komplettiert durch den Signalaufbereiter Typ 5238B. Beim Testaufbau bei Ceratizit ist er für die Energieversorgung, Signalübertragung und Steuerung des Systems verantwortlich. Sowohl Messbereiche wie auch Einstellungen am Tiefpassfilter erfolgen manuell am Signalaufbereiter oder über die serielle Schnittstelle. Die Ansteuerung des Systems sowie die Erfassung der Daten erfolgt über die Software DynoWare von Kistler. Die Messsignale stehen zusätzlich als analoge Spannungssignale ±10 Volt zur Verfügung.
Zerspankraft-Messgerät von Kistler liefert zuverlässige Werte
Die Versuche fanden im Sommer 2019 im Innovation Center von Ceratizit Austria GmbH in Reutte (Österreich) statt. Zuerst galt es, sich an die maximale Leistungsfähigkeit des HDT-Systems heranzutasten. Dazu wurden unterschiedliche Werte für Vorschub und Schnitttiefe gewählt. Nach und nach wurden dann steilere Anstellwinkel des FreeTurn-Werkzeugs eingestellt. Das Dynamometer von Kistler lieferte dabei zuverlässig detaillierte Werte über die auftretenden Kräfte. Sie wurden mit den Ergebnissen eines konventionellen Drehwerkzeugs vom Typ PCLNL 2525 M12 verglichen.
Das Projekt wurde vom für Zerspanprozesse zuständigen Applikationsingenieur Lukas Janotta der Firma Kistler direkt vor Ort begleitet. Er beriet die Ingenieure von Ceratizit bei den Versuchsreihen. Mit Hilfe der Software DynoWare von Kistler konnten die auftretenden Kräfte detailliert dargestellt, protokolliert und analysiert werden. Dadurch war es möglich, die Resultate der bereits durchgeführten Simulationen mit realen Messwerten zu validieren. Somit erhielt der Kunde einen tiefen Einblick in die bis dato verborgenen Zerspankraftzustände.