Kistler unterstützt tepcon bei der Modellentwicklung für Predictive Maintenance


Um die Fähigkeit zur vorausschauenden Wartung in die Nassprozessanlagen von AP&S zu integrieren, haben die Softwareexperten von tepcon – ein Schwesterunternehmen von AP&S – eine Partnerschaft mit dem neuen Kistler Digital Solutions Lab gestartet. Das Entwicklungsprojekt im Bereich Halbleiterfertigung hat zum Ziel, auf Basis von Machine Learning eine prognosefähige Intelligenz unabhängig von der einzelnen Anlage zu erschaffen.

Die Halbleiterindustrie ist eine der komplexesten Branchen überhaupt: Nicht nur werden Schaltkreise und Mikrostrukturen wie MEMS immer kompakter und leistungsfähiger; auch die Produktion entwickelt sich stetig weiter. Für einen einzelnen Chip fallen heute 400 bis 1000 Einzelschritte in der Fertigung an – entsprechend unübersichtlich und komplex sind die Wertschöpfungsketten, die sich über den gesamten Globus verteilen.

Ein Baustein in diesem Puzzle ist das Unternehmen AP&S in Donaueschingen im äußersten Südwesten Deutschlands. Hier hat man sich auf die Herstellung von Nassprozessanlagen spezialisiert, die zur Reinigung und Oberflächenbearbeitung (Ätzen, Stripping, Plating) von Wafern und Substraten eingesetzt werden. 160 Mitarbeiter weltweit entwickeln und fertigen Anlagen in den beiden Segmenten Single Wafer Processing (Einzelbearbeitung) und Batch Processing (Stapelverarbeitung). Auch Serviceleistungen wie Reparaturen und die komplette Überholung von Anlagen gehören zum Portfolio.

Die Anlagen von AP&S zur Reinigung und Oberflächenbearbeitung von Wafern sind komplex.

Komplexes Innenleben: Die Anlagen von AP&S zur Reinigung und Oberflächenbearbeitung von Wafern stellen aufgrund der vielen Komponenten eine Herausforderung für Predictive Maintenance dar.

Produktiver Mehrwert durch intelligente Software

Um den hohen Marktanforderungen – wie maximale Maschinenverfügbarkeit, hohe Anlagenprozessqualität bei modularem, flexiblem Maschinendesign sowie schnelle Reaktionszeiten im Fehlerfall – optimal zu begegnen, ist die kontinuierliche Weiterentwicklung von Produkten und Systemen ein entscheidender Erfolgsfaktor für AP&S. Hierbei spielen innovative Industrie 4.0-Lösungen eine Schlüsselrolle. Aus diesem Grund hat sich AP&S am Softwareunternehmen tepcon beteiligt und dadurch das Know-how in den Bereichen Software, Konnektivität und IoT ausgebaut, die im Maschinenbau, in der Maschinenwartung und in der Steuerung eine immer größere Rolle spielen. 

Die gesamte IoT-Strategie von AP&S basiert auf den Lösungen des Tochterunternehmens tepcon. Darüber hinaus agiert der Software-Experte aber weiterhin am Markt als unabhängiger B2B-Anbieter von IoT-Applikationen wie Condition Monitoring, Machine Learning (ML) und Augmented Reality, die den Endkunden aus verschiedenen Branchen effizientere Prozesse ermöglichen. Christoph Kluge, Geschäftsführer von tepcon, erläutert die Synergieeffekte dieses Konstrukts: „Entscheidend für uns als IT-Spezialisten ist die Praxisnähe zum Sondermaschinenbauer AP&S. Wir arbeiten von Anfang an allen Softwareprojekten gemeinsam und wissen daher, worauf es bei der Entwicklung im Einzelnen ankommt. Prozessoptimierung, Wettbewerbsvorteile und Kosteneinsparungen für den Endkunden zu realisieren, ist dabei stets unser Fokus. Zum Beispiel versetzen wir Servicetechniker in die Lage, mittels Augmented Reality (AR) die aktuellen Maschinendaten über eine entsprechende AR-Brille auf die Maschine zu projizieren, ohne umständlich am HMI (Human Machine Interface) hantieren zu müssen. Auch lassen sich über die AR-Brille Schritt für Schritt Instruktionen abrufen, die erläutern, an welchen Stellen genau die Servicetechniker eingreifen müssen.“

Wie lassen sich Ausfälle komplexer Anlagen vorhersagen?

In einem aktuellen Projekt geht es um die Entwicklung einer neuen Funktionalität für vorausschauende Wartung. Denn Maschinenausfall kann die Endkunden viel Geld kosten: Abhängig von der Prozessstufe und den Substrattypen erreichen die Wafer-Lose in den Anlagen Werte im sechsstelligen Bereich. „Allerdings ist das Zusammenwirken unterschiedlicher Komponenten in den Anlagen so komplex, dass bei einem Maschinenausfall die Ursache oft nicht sofort klar ist und es gilt, sie zu lokalisieren“, sagt Stefan Wolf, Softwareentwickler von tepcon. Seit seiner Masterarbeit 2017 beschäftigt er sich mit Machine Learning und hat im Oktober 2018 die Leitung des Projekts für Predictive Maintenance übernommen. „Wir mussten also einen Weg finden, aussagekräftiges Feedback von der Maschine zu erhalten, es entsprechend auszuwerten und daraus Voraussagen abzuleiten.“

Als Entwicklungspartner für Sensorik und Datenakquisition holte sich tepcon das neue Kistler Digital Solutions Lab mit ins Boot. Geleitet wird es von Marco Angliker, Head of Kistler Digital Solutions Lab. Er sagt: „Wir haben ein schlagkräftiges Team zusammengestellt, das Messtechnik mit Software- und Entwicklungskompetenz verbindet. Es geht dabei nicht primär um Produkte oder Technologien, sondern darum, die Ziele des Kunden genau zu verstehen, die richtigen Leute zusammenzubringen und gemeinsam einen Schlüssel zur Lösung oft komplexer Aufgabenstellungen zu finden.“

Digitale Innovation mit dem Kistler Digital Solutions Lab

Mit dem hauseigenen Digital Solutions Lab bündelt die Kistler Gruppe ihre Kompetenzen in den Feldern Messtechnik, Softwareentwicklung sowie Methoden- und Beratungskompetenz. Partner profitieren insbesondere durch:

  • Kundenorientierte und -individuelle Beratung und Entwicklung
  • Zielgerichtete Projektabwicklung durch hohe Methoden- und Vorgehenskompetenz
  • Enge und vertrauensvolle, oft langfristige Partnerschaft
  • Experten-Know-how über die gesamte Messkette
  • Umfangreiches Domänen- und Applikationswissen
  • Softwarekompetenz für den projektspezifischen Einsatz cloudbasierter Kistler Produkte und Technologien
  • Zugang zu umfangreichem Set von Softwarebausteinen für die flexible Entwicklung digitaler Services
  • Optimale Kombination der Produkte von Kistler für die jeweilige Anwendung

Im Vordergrund steht dabei das Bestreben, Partnern eine möglichst zielgerichtete und effiziente Nutzung ihrer Daten zu ermöglichen, um neue Funktionalitäten und Geschäftsmodelle im digitalen Umfeld zu schaffen.

Das Ohr direkt an der Maschine

Insgesamt wurden vier Maschinen von AP&S – an zentralen Komponenten wie Pumpen, Drehtellern und FFUs (Filter Fan Units) – mit uniaxialen und triaxialen Beschleunigungssensoren von Kistler sowie Distanzsensoren eines Drittanbieters ausgerüstet. Pro Tag und Anlage werden damit etwa 120 Gigabyte an Daten aufgezeichnet. „Die Sensoren von Kistler sind praktisch unser Ohr an der Maschine. Die aufgezeichneten Körperschall- und Positionsdaten geben Aufschluss darüber, wann die Anlage in den abnormen Bereich gerät und wahrscheinlich demnächst ausfällt“, erklärt Wolf.

Die Herausforderung liegt nun darin, eine Intelligenz zu entwickeln, die Ausfälle mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit voraussagt, ohne auf einen bestimmten Anlagentyp beschränkt zu sein. Dafür nutzt tepcon sogenanntes maschinelles Lernen: Die riesigen Datenmengen werden auf einem Industrie-PC (IPC) lokal gespeichert und später in ein Cloud-Backend übertragen, wo das Training der künstlichen Intelligenz (KI) stattfindet. Diese KI, basierend auf dem Konzept des maschinellen Lernens, wird mit den laufend aufgezeichneten Daten von verschiedenen Anlagen trainiert und versteht dadurch immer besser, worin sich normale Betriebszustände von kritischen unterscheiden.

Messtechnik- und Software-Know-how aus einer Hand

„Das Digital Solutions Lab von Kistler ist in diesem langfristigen, offenen Entwicklungsprozess ein sehr wertvoller Partner“, betont Wolf. „Denn jeder Anlagentyp ist anders und muss entsprechend individuell mit Messtechnik ausgestattet werden. Das neue 

KIDAQ Datenerfassungssystem von Kistler kommt uns dabei sehr entgegen – es ist flexibel, kann mit vielen verschiedenen Sensoren operieren und lässt sich effizient einrichten und konfigurieren. Auch die Möglichkeit, einfach Rohdaten aufzuzeichnen ohne direkte Auswertung, ist sehr hilfreich.“ KiDAQ ist eines der Elemente im umfangreichen Technologie-Baukasten des Kistler Digital Solutions Lab, um Kunden effiziente und maßgeschneiderte Lösungen anbieten zu können.

Das genaue Setup des KIDAQ in Verbindung mit dem IPC zur Datenspeicherung erforderte aufgrund der kontinuierlichen Aufzeichnung und der großen Datenmengen besondere Aufmerksamkeit: Um Sensorkonfiguration, Kanalbelegung, Abtastrate, Speicherintervalle und weitere Parameter zu spezifizieren, unterstützte Kistler mit der Möglichkeit, das KiDAQ direkt vom IPC per Kommandozeile ansteuern zu können. „Mit der Unterstützung durch das Kistler Digital Solutions Lab bei Inbetriebnahme und Integration – bis in die Programmierung hinein – sind wir sehr zufrieden. Das findet man sonst auf dem Markt nicht“, berichtet Wolf. „Insbesondere die Kombination aus Beratung, Entwicklungspartnerschaft und zukunftsweisenden Technologien ist einzigartig. Wenn man vor einer offenen und komplexen Herausforderung steht, ist man schon froh, wenn jemand überhaupt ein offenes Ohr hat – mit dem Kistler Digital Solutions Lab bekamen wir darüber hinaus das erforderliche Know-how, um die Schritte zur Lösung auch im Detail zu meistern.“

Auf dem Weg zur künstlichen Intelligenz höherer Ebene

Eine solche Herausforderung bestand zum Beispiel darin, dass die Anlagen teilweise im Reinraum stehen – was bedeutet, dass dort auch programmiert werden muss. „Für die Einrichtung und Programmierung der gesamten Datenerfassung an der Anlage inklusive Messtechnik hatten wir uns eine Woche im Reinraum reserviert. Dank des effizienten Setups am KiDAQ von Kistler konnten wir diesen Schritt bereits am Mittwoch abschließen. Wer schon mal im Reinraum in voller Montur an Anlagen programmiert hat, kann ermessen, wie sehr uns das die Arbeit erleichtert hat“, berichtet Wolf.

Für einzelne Anlagen hat tepcon den Proof of Concept bereits erreicht – Ausfälle lassen sich dort mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit bereits vorhersagen. Man will jedoch mehr: „Wenn es uns gelingt, sozusagen eine Intelligenz über der Intelligenz zu entwickeln, die mit einer hohen Wahrscheinlichkeit – sagen wir 80 Prozent, Machine Learning ist immer probabilistisch – und anlagenunspezifisch drohende Ausfälle vorhersagt, wäre das etwas, was sich viele Industriekunden wünschen“, beschreibt Christoph Kluge seine Vision. „Wir sind also auf einer Reise. Die sich entwickelnde Intelligenz könnte zu einem späteren Zeitpunkt direkt ins KiDAQ oder in die Anlagen integriert werden – nicht nur bei AP&S, sondern auch weiteren Anbietern über die Halbleiterindustrie hinaus.“

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