Genaue Resultate unter wechselnden Bedingungen
„The Atmosphere ermöglicht die volle Kontrolle von Temperatur und Druck. Das ist wichtig für LNG-Transportbehältersysteme, die normalerweise an der Grenze zwischen Flüssigkeit und Dampf operieren. So bekommen wir ein besseres Verständnis der Sloshing-Phänomene, wie sie in einem echten Container in einem Schiff auftreten.“ Im Inneren des Autoklav-Behälters befindet sich ein Messkanal, in dem Wellen künstlich erzeugt werden können. Sobald diese die Aufprallwand treffen, zeichnen die Drucksensoren von Kistler die Kraftwirkung mit einem hohen Grad an Genauigkeit auf. 100 dieser Sensoren wurden in einer T-förmigen Anordnung installiert, wobei der obere Balken des T leicht geneigt angebracht wurde. Ezeta weiter: „Während der Einrichtung der Anlage fanden wir heraus, was das beste Layout für genaue Messungen ist. Der obere Teil der T-Anordnung erlaubt die präzise Erfassung der vom Wellenkamm ausgeübten Kräfte, während der untere Teil des T den Effekt des Gaseinschlusses aufzeichnet, der zwischen Welle und Wand ‚gefangen` sein kann.“ Ezeta zufolge habe die Forschung bereits gezeigt, dass diese Gaseinschlüsse ‒ zusätzlich zu den Kräften, die von den Wellenkämmen verursacht werden ‒ nicht vernachlässigt werden dürfen und eine schädigende Wirkung auf den Container ausüben können.
Synchronisierte Signale von 100 Sensoren
Dank ihrer hohen Eigenfrequenz und der kurzen Ansprechzeit sind die Drucksensoren von Kistler dazu in der Lage, die hochdynamischen Sloshing-Ereignisse im Inneren des Messkanals zu erfassen. Sie verfügen außerdem über eine optimierte Membran, die den Thermoschock beim plötzlichen Übergang von Gas zu Flüssigkeit minimiert. Um Rauschen und Verzerrungen zu vermeiden, haben die Ingenieure von Kistler eine spezielle Kabellösung entwickelt, die die Signale aus der Testkammer durch eine Vakuumröhre nach draußen, also außerhalb des Autoklav-Behälters übertragen. Signalverarbeitung und Datenerfassung werden dann von 25 automatisch synchronisierten Ladungsverstärkern LabAmp 5165A übernommen, die die Signale aller 100 Drucksensoren direkt digitalisieren mit einer Frequenz von 100 kHz.
„Wir sind sehr zufrieden mit der Lösung von Kistler. Sie ist verlässlich und robust und arbeitet nahezu fehlerfrei.“
Rodrigo Ezeta, Forschung und Entwicklung bei MARIN
Welche Hauptziele verfolgt MARIN mit „The Atmosphere“ und welche Ergebnisse sind zu erwarten? „Die Anlage ist erst seit Anfang 2020 vollständig in Betrieb, das heißt wird sind noch am Anfang unserer Forschung. Eines der großen Ziele ist es, die Skaliermodelle zu verbessern, die die Industrie bisher benutzt“, erklärt Ezeta. Aktuell werden Sloshing-Tests meist mit einem kleinen Tank durchgeführt, der auf einem Hexapod bewegt wird, um das Schwappen zu simulieren. Beim Hochrechnen der Sloshing-Dynamik auf reale Größen treten jedoch Abweichungen in den Testresultaten auf, bedingt durch die zugrundeliegenden physikalischen Mechanismen.
Ezeta weiter: „Eines unserer Forschungsziele ist es also, die Ungenauigkeit beim Hochrechnen zu reduzieren. Ein guter Ansatz hierfür ist, die Physik hinter den Aufprallvorgängen zu verstehen. Zu diesem Zweck führen wir Tests mit unterschiedlichen Bedingungen bezüglich Temperatur, Druck und Gas durch dank den Sensoren von Kistler können wir die Effekte auf die Kraftwirkungen genau sehen. Eine zentrale Frage ist: Warum schwankt der Druck so stark?“ An der Antwort auf diese Frage wird intensiv geforscht; dabei spielen Aspekte wie kleine Störungen entlang der Wellenkämme, das Schwingungsverhalten der Gaseinschlüsse und die Größe des Gas-Flüssigkeitsverhältnisses eine Rolle, die sich mit Temperatur, Druck und verschiedenen Gaszusammensetzungen ändert. Das alles sind Schlüsselfaktoren für das Auftreten von Sloshing und damit auch für die Konstruktion von Tanks innerhalb von Schiffen.
Resultate auch für das Design von Wasserstofftanks nützlich
„Die bisherige Forschung hat bereits gezeigt, dass es wichtig ist, alle physikalischen Parameter und Effekte zu berücksichtigen“, betont Ezeta. „Unsere Ergebnisse geben Unternehmen ein besseres Verständnis darüber, was in ihren Tanks passiert, so dass sie ihre Testmethoden verbessern können. Nicht zuletzt bereitet unsere Forschung den Weg für eine neue Art von Tankern, die Wasserstoff statt Erdgas transportieren.“ In der Theorie ist Wasserstoff noch nachhaltiger als Erdgas, weil dessen Verbrennung keinerlei Treibhausgase freisetzt. Jedoch liegt die Temperatur zur Verflüssigung von Wasserstoff mit 33 Kelvin sehr niedrig (entspricht ‒253°C unter Atmosphärenbedingungen). Der weltweit erste Flüssigwasserstoff-Tanker wird voraussichtlich 2021 in Betrieb gehen. Rodrigo Ezeta fasst seine Erfahrungen mit der Messtechnik wie folgt zusammen: Wir sind sehr zufrieden mit der Zusammenarbeit mit Kistler und sind gespannt auf viele erfolgreiche Tests mit den Sensoren, die für ihre Beständigkeit und Stabilität über lange Zeit bekannt sind. Wir halten auch laufend Ausschau nach neuen Partnern im akademischen und industriellen Umfeld, wo die ATM mit ihren einzigartigen Eigenschaften genaue Messungen liefern kann. Unsere Atmosphäre ist offen für jeden!“